Die vierte, zentrisch angeordnete Biegerolle ist notwendig, um komplett geschlossene Gehäuseringe ohne gerade Endstücke zu erzeugen und so den Prozessschritt Sägen zu vermeiden.

Geschlossene Profilringe – der Vorteil der vierten Biegerolle

Pneutronic AG

Mit einer neuartigen Profilbiegemaschine verschlankt die Schweizer Moser-Baer AG den Produktionsprozess ihrer weltweit bekannten Bahnhofsuhren: Mit vier anstatt der üblichen drei Biegerollen kann die mechanisch von Moser-Baer entwickelte und gebaute Profilbiegemaschine Mobamatic MPB23 verschiedenste Profile ohne gerade Endstücke biegen. Der Automatisierungsspezialist Pneutronic AG realisierte die komplette Antriebs- und Steuerungstechnik. PC-based Control und das Multiachs-Servosystem AX8000 mit TwinSAFE sorgen dabei für einen kompakten Aufbau, Präzision und den sicheren Betrieb ohne Schutzgitter und Laserscanner.

Die 1938 gegründete Moser-Baer AG mit Hauptsitz und Produktion in CH-3454 Sumiswald fertigt seit über 80 Jahren unter der Marke Mobatime Uhrenanlagen und Zeitsysteme. Dem bekanntesten Produkt ist jeder schon einmal begegnet: den runden Uhren, die auf zahllosen Bahnsteigen, in Bahnhofshallen, Flughäfen, Universitäten, Schulen und öffentlichen Gebäuden hängen.
Basis der Uhrengehäuse bilden Profile aus Aluminium oder Stahlblech, die zu einem Ring gebogen werden. Je nach Uhrentyp bestehen die Profile aus bis zu 3 mm dickem Aluminium oder dünnen Winkelprofilen aus Stahl mit bis zu 200 mm Höhe. Bislang werden die Gehäuse von Fachkräften auf manuell justierten Biegemaschinen gefertigt. Dazu ist viel Erfahrung notwendig, da beim plastischen Umformen von Blechen viele Faktoren die Präzision des fertigen Bauteils beeinflussen, angefangen bei sich verändernden Widerstandsmomenten und alterungsbedingt oder Chargen-bezogen unterschiedlichem Materialverhalten. «Wir haben die Biegemaschine für unser Standardportfolio an Bahnhofsuhren mit einem Durchmesser zwischen 40 und 120 cm entwickelt, wollen darauf aber auch Sonderkonstruktionen mit einigen Metern Durchmesser biegen können», erklärt Thomas Steffen, Leiter mechanische Entwicklung und Betriebsmittelbau bei Moser-Baer. Solche grossen Gehäuse werden aus mehreren Profilen zusammengesetzt. Die Rundheit und Einhaltung des Radius sind daher wesentliche Qualitätskriterien für das Biegen der Profile.

Vierte Biegerolle ersetzt Prozessschritt
Die primäre Motivation von Moser-Baer für die Entwicklung war, die Profile komplett, das heisst ohne gerade Endstücke biegen zu können. «Dies ist beim üblichen Dreirollenbiegen kinematisch unmöglich», erklärt Marcel Gloor, technischer Leiter der Pneutronic AG. Die Lösung: eine vierte, unabhängig einstellbare Rolle. Nur damit lässt sich die erforderliche Umkehr der Biegerichtung realisieren und die Profile komplett mit dem definierten Radius biegen – ohne dass ein gerades Teilstück am Ende des Profils entsteht. Dieser Teil musste bislang in einem weiteren Arbeitsschritt abgesägt werden. Dazu Thomas Steffen: «Gebogene Profile sind immer schwierig einzuspannen und zu sägen. Zudem entstehen dabei Späne und scharfe Grate.» Bedingt durch die Vermeidung der geraden Endstücke können 15 bis 20 Prozent Materialeinsparungen am Gehäuse pro produzierte Uhr erreicht werden. Dies stellt sowohl einen erheblichen wirtschaftlichen Gewinn dar als auch einen Beitrag zu einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Produktion, die Moser-Baer stets anstrebt. Darüber hinaus können durch den Wegfall des Trennprozesses nach dem Biegen bei der Gehäuseringproduktion 50 Prozent der Zeit eingespart werden.

Sichere Antriebstechnik reduziert Stellfläche
«Biegeprozesse bedeuten immer auch die Gefahr, Finger oder die Hand einzuklemmen und zu quetschen», betont Remo Kissling, Geschäftsführer der Pneutronic AG mit Blick auf die bei der Biegemaschine einzuhaltenden Sicherheitsanforderungen. Dennoch konnte die Biegemaschine ohne Einhausung, Lichtgitter oder Laserscanner konstruiert werden. Ermöglicht hat dies ein durchdachtes Sicherheitskonzept, das auf dem Multiachs-Servosystem AX8000 mit TwinSAFE sowie den Servomotoren AM8000 von Beckhoff basiert. «Wir nutzen fast alle sicheren Antriebsfunktionen, für den Einrichtbetrieb zum Beispiel Safety Limited Speed (SLS) in Verbindung mit einem Zustimmtaster», so Marcel Gloor. Für das Einführen und Klemmen des Profils braucht der Werker wiederum beide Hände. Um Verletzungen auszuschliessen, lässt sich der nur wenige mm betragende Spannhub nur über einen Fusstaster aus sicherer Entfernung auslösen. Die Anordnung des Fusstasters ist gezwungenermassen nahe an der Maschine, damit das Profil genau eingelegt werden kann.
Der automatische Biegeprozess wird über Zweihandtaster gestartet, die permanent betätigt sein müssen. Lässt der Bediener eine der Tasten los, zum Beispiel um etwas zu kontrollieren oder weil eine andere Person an die Maschine tritt, stoppt der Ablauf sofort. Die Achsen gehen dann in den sicheren Betriebshalt (SOS). Die Regelung bleibt jedoch aktiv und setzt den Biegevorgang fort, sobald beide Taster wieder betätigt werden. «Ohne die vielfältigen Funktionen wie SLS, SLI, SOS, STO und der sicheren Antriebstechnik von Beckhoff wäre die Maschine nicht ohne Schutzzaun oder Laserscanner realisierbar gewesen», bestätigt Remo Kissling.

Neun Achsen auf engstem Raum
Insgesamt sind bei dem Prozess neun Achsen zu regeln: Neben den vier unabhängigen Antrieben für die Biegerollen und den drei linearen Zustell- und Spannachsen auch die Höhenverstellung der beiden Arbeitstische. Hinzu kommen eine Achse für das Handrad zum Einrichten der Abläufe sowie die virtuelle X-Achse für den Vorschub der synchronisierten und linear transformierten Biegerollenantriebe.
Die virtuelle X-Achse repräsentiert das gerade Metallprofil, anhand dessen alle realen Bewegungen der Biegerollen geregelt werden. «Der TwinCAT 3 Motion Designer hat uns die Flexibilität gegeben, das Antriebssystem optimal auszulegen», so Marcel Gloor.
Das Maschinendesign baut äusserst kompakt, insbesondere durch die geringen Abmessungen des Multiachs-Servosystems AX8000, die platzsparende One Cable Technology (OCT) für den Anschluss der Servomotoren AM8000 sowie die flexiblen Installationsmöglichkeiten von EtherCAT. Dazu Eric Schaller, Vertrieb Beckhoff Schweiz: «Pneutronic konnte die kompakten Antriebsverstärker in einem zweiten Schaltschrank montieren und über EtherCAT mit dem Embedded-PC CX5240 im Steuerschrank verbinden.» Marcel Gloor ergänzt: «Ohne die One Cable Technology als Anschlusstechnik für die Servomotoren hätten wir zusätzliche Leitungen für die sicheren Geber benötigt und keine Chance gehabt, die Rollenverstellungen unter dem Arbeitstisch so kompakt zu konstruieren.»

Programmierung per Teach-in
Die Bewegungsabläufe für ein Profil teachen die Experten von Moser-Baer über das Handrad. Die Mitarbeiter fahren dazu alle Achsen in die jeweilige Position und speichern die Positionswerte jeder Achse per Knopfdruck. Diese Bewegungsprofile werden anschliessend in der Rezeptverwaltung von TwinCAT HMI gespeichert und können über das kundenspezifische Control Panel CP3918 jederzeit aufgerufen und bei Bedarf modifiziert werden. Beim automatischen Biegen übernimmt TwinCAT 3 NC PTP den Ablauf und fährt alle Achsen synchron von Teachpunkt zu Teachpunkt.
Derzeit werden auf der Maschine Ringe für die Uhrengehäuse gebogen, die Steuerungstechnik und Mechanik wurde aber bewusst so ausgelegt, dass darauf alle Teile wie auf einer konventionellen 3-Rollen-Biegemaschine gefertigt werden können. Bei Bedarf sind auch Designelemente mit Kurven, Freiformbögen und geraden Zwischenstücken realisierbar. «Steuerungsseitig bestehen mit TwinCAT 3 und dem leistungsfähigen Embedded-PC CX5240 keinerlei Limits,» so Marcel Gloor.
Pneutronic realisiert seit 2010 die unterschiedlichsten Projekte mit PC-based Control von Beckhoff. Als Gründe nennt Remo Kissling die gute Performance von Hard- und Software, das breite Produktportfolio und die Skalierbarkeit des Automatisierungssystem. TwinCAT als Engineeringsoftware und dessen modularer Aufbau helfe passgenaue Lösungen zusammenzustellen. «Die Anbindung an GitHub für die Quellcode-Verwaltung möchten meine Kollegen und ich nicht mehr missen», stellt Marcel Gloor ein Feature besonders heraus. Auch der Support stehe mit seinem Know-how immer zur Verfügung. «Wer so wie Pneutronic innovative Maschinenkonzepte automatisiert, benötigt mitunter Support, den wir bei Beckhoff wann immer nötig auch bekommen», so Remo Kissling.
Als Beckhoff Solution Provider, der viele unterschiedliche Maschinen automatisiert, setzt Pneutronic konsequent auf Standardisierung – bei den eingesetzten Technologien, der Software und den Methoden: Deshalb wird ausschliesslich mit TwinCAT 3, insbesondere dem TwinCAT 3 Motion Designer, und Beckhoff-Komponenten gearbeitet. «Wir versuchen die Grundaufgaben immer gleich zu lösen und gewinnen durch die Standardisierung an Effizienz in allen Projektphasen, von der Projektierung über die Programmierung bis zur Verdrahtung», so Remo Kissling. Bei den I/Os hat Pneutronic zum Beispiel zwölf EtherCAT-Klemmen aus dem breiten Spektrum spezifiziert, mit denen Projekte standardmässig automatisiert werden. «Bei speziellen Funktionen kann Pneutronic dennoch jederzeit die ganze Bandbreite an EtherCAT-Klemmen nutzen», stellt Eric Schaller heraus.

INFOS | KONTAKT
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Juni

automatica, München

Internationale Fachmesse für Automation und Mechatronik
24. bis 27. Juni
www.automatica-munich.com

LASER World of PHOTONICS, München

Weltleitmesse und Kongress für Komponenten, Systeme und Anwendungen der optischen Technologien
24. bis 27. Juni
www.world-of-photonics.net

September

Sindex, Bern

Treffpunkt der Schweizer Technologiebranche
2. bis 4. September
www.sindex.ch

AM Expo, Luzern

Additive Manufacturing Expo
9. und 10. September
www.am-expo.ch

Swiss Medtech Expo, Luzern

Branchentreffpunkt für Medizintechnikunternehmen
9. und 10. September
www.medtech-expo.ch