In-situ-Pulverzufuhr und LPBF-ähnliche Abkühlraten machen das EHLA-Verfahren für Untersuchungen im Bereich Rapid Alloy Development (RAD) interessant.

Ausgabe 12 | 2022

Für eine effiziente LPBF-Legierungsentwicklung

RWTH Aachen

Die Forschenden des Lehrstuhls Digital Additive Production DAP der RWTH Aachen haben das Extreme Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweissen (EHLA) als mögliches Tool für das effiziente Screenen und Entwickeln neuer Legierungen speziell für das Laser Powder Bed Fusion (LPBF) untersucht.

Der Vergleich der Prozesseigenschaften, wie der Laserintensitäten, und der daraus resultierenden Mikrostruktur zeigt vielversprechende Ergebnisse im Hinblick auf die Übertragbarkeit der Fertigungsergebnisse beider Verfahren und damit auf die Qualifizierung von EHLA als sogenannten Rapid Alloy Development Ansatz (RAD) für den LPBF-Fertigungsprozess.
Aktuelle Anforderungen an die Industrie, wie zum Beispiel hohe Ressourceneffizienz und individualisierte Teilefertigung, verlangen nach neuen Fertigungslösungen. Vor diesem Hintergrund wurde das Laser Powder Bed Fusion (LPBF) aufgrund seiner Prozesseigenschaften zu einem wichtigen Produktionsverfahren. Ein bedeutender Vorteil des LPBF-Verfahrens ist die Möglichkeit, Legierungen mit applikationsangepassten mechanischen Eigenschaften zu verarbeiten, die mit konventionellen Fertigungstechnologien nur schwer oder gar nicht verarbeitet werden können. Legierungen speziell entwickelt für die Verarbeitung mittels LPBF könnten zusätzlich die Prozesseigenschaften wie hohe Abkühlraten optimal und gewinnbringend ausnutzen und verbesserte Materialeigenschaften realisieren. Die Entwicklung dieser Legierungen aber ist zeit- und ressourcenaufwändig und das Potenzial des LPBF deshalb bisher nicht voll ausgeschöpft. In diesem Zusammenhang bieten die Prozesseigenschaften des Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweissen (EHLA) – etwa in-situ-Pulverzufuhr individueller Legierungen und LPBF-ähnliche Abkühlraten – vielversprechende Voraussetzungen, um dieses Verfahren zur schnellen und ressourcenschonenden Validierung und Entwicklung neuer Legierungen für das LPBF zu nutzen.

Vergleich zweier grundlegend unterschiedlicher AM-Prozesse
Die EHLA- und LPBF-Prozesse unterscheiden sich vor allem durch die Art der Pulverzufuhr und den Ort des Laserenergieeintrags (Laserspot): Im LPBF-Prozess wird das Pulver global in einer Pulverschicht aufgetragen und der Laserspot wird auf die Oberfläche der Pulverschicht fokussiert. Im EHLA-Prozess wird das Pulver lokal über einen Pulvermassenstrom, der durch eine Düse zugeführt wird, aufgetragen. Der Pulverfokus befindet sich etwas oberhalb der Beschichtungsoberfläche, zirka 1 mm. Dadurch können individuelle Legierungen gefördert und vor dem Auftrag in-situ separat gemischt werden.
Im Hinblick auf LPBF-Legierungsanforderungen sind applikationsangepasste mechanische Eigenschaften und eine verbesserte Materialverarbeitbarkeit von besonderem Interesse für Anwender aus der Industrie. Die mechanischen Eigenschaften ergeben sich aus den mikrostrukturellen Eigenschaften der Bauteile, die wiederum massgeblich von der chemischen Zusammensetzung und der Abkühlrate beeinflusst werden. Die Aachener AM-Expertinnen und -Experten identifizierten und untersuchten daher in einem ersten Schritt die relevanten EHLA- und LPBF-Prozessparameter, die die Abkühlrate und damit die resultierende Mikrostruktur beeinflussen. Ausserdem übertrugen sie ihre Erkenntnisse auf die Fertigung von Proben aus hochmanganhaltigem Stahl X30Mn22. In einem letzten Schritt verglichen sie die Mikrostruktureigenschaften der Proben aus dem LPBF- und EHLA-Fertigungsprozess, um ihre Annahmen hinsichtlich der Prozessübertragbarkeit und damit der Qualifikation des EHLA-Verfahrens für die Legierungsentwicklung zu überprüfen.

Die Ergebnisse
Da die Intensität des Energieeintrags in das Pulvermaterial einen grossen Einfluss auf die Abkühlrate hat, berechneten und verglichen die Wissenschafter die Wechselwirkungszeit zwischen Pulvermaterial und Laserstrahl sowie den Energieeintrag in das Material, das heisst die Laserintensität am Laserspot, für beide Verfahren: Unter Berücksichtigung der Parameter Laserleistung (PL) und Laserspotdurchmesser (Ø Spot) zeigt sich, dass die Laserintensität im LPBF-Verfahren fast 14-mal höher ist als im EHLA-Verfahren. Allerdings unterscheidet sich die Wechselwirkungszeit zwischen Material und Laserstrahl beider Verfahren um etwa den Faktor 10. Aus diesem Grund kann davon ausgegangen werden, dass sich die Auswirkungen der unterschiedlichen Laserintensitäten ausgleichen und zu einem ähnlichen Energieeintrag pro Partikel führen.
Darüber hinaus ermittelten die Forschenden den Einfluss der EHLA-Prozessgeschwindigkeit auf die Abkühlrate, indem sie die resultierenden Dendritenarmabstände (DAS) massen. In einem zweiten Schritt verglichen sie diese DAS mit den DAS, die in LPBF-verarbeitetem Material gemessen wurden. Die Messungen ergaben, dass eine Erhöhung der EHLA-Prozessgeschwindigkeit von 50 auf 150 m/min zu einer Verringerung der DAS von 1,29 auf 0,58 µm führt. Daraus kann abgeleitet werden, dass auch die Abkühlrate im EHLA wesentlich von der Prozessgeschwindigkeit abhängt.
Ein weiterer Faktor zur Untersuchung der Übertragbarkeit der Verfahren ist die resultierende Energievolumendichte (En). Sie kann zum Vergleich der EHLA- und LPBF-Prozesseigenschaften Laserleistung, Scangeschwindigkeit und Pulvermassenstrom im Hinblick auf die Wärmebilanz verwendet werden. Die berechnete En für LPBF ist etwa 2,3-mal grösser als die En für EHLA. Allerdings entspricht die berechnete En, LPBF nur einer Schmelzmenge von einer Schichtdicke. Da die tatsächliche Schmelztiefe beim LPBF-Verfahren das 2- bis 3-fache der Schichtdicke beträgt, muss die En, LPBF entsprechend angepasst werden. Aus diesem Grund gehen die Forschenden davon aus, dass die Wärmebilanz bei beiden Verfahren ähnlich ist.
Weitere Untersuchungen zur unterschiedlichen Schmelzbadgeometrie und -grösse beider Verfahren zeigen, dass die EHLA-Schmelzbadgeometrie eine 25-mal grössere Fläche als die des LPBF aufweist – ein Ergebnis der unterschiedlichen Laserspotgrössen, die in beiden Verfahren verwendet werden. Darüber hinaus unterscheiden sich auch die Formen der Schmelzbäder: Im EHLA-Prozess ist das Schmelzbad im Vergleich zum LPBF-Schmelzbad eher flach. Dies liegt vor allem an der Form des Energieeintrags der beiden Verfahren in das Material und der Wärmeabgabe aus dem Schmelzbad in das Substrat, beziehungsweise die darunter liegenden Schichten. Im EHLA-Verfahren werden etwa 80 Prozent der Energie von den Pulverpartikeln aufgenommen, die dann im geschmolzenen Zustand auf die Substratoberfläche auftreffen. Nur etwa 20 Prozent der Energie werden von der Oberfläche absorbiert, sodass sie selbst nur zu einem geringen Teil aufgeschmolzen wird. Dies führt zu einem kleinen Schmelzfilm im Gegensatz zu einem veritablen Schmelzbad im LPBF, das die 2- bis 3-fache LPBF-Schichtdicke aufweist. Betrachtet man die Tiefe und Breite des Schmelzbades (d/w-Verhältnis), so liegt das d/w-Verhältnis für EHLA bei 0,37 und für LPBF bei 0,60. Dieses Ergeb-nis deutet auf unterschiedliche Schweissarten hin. Im EHLA-Prozess tritt demnach Wärmeleitungsschweissen auf, während es sich im LPBF-Prozess um Übergangsschweissen und, bei höherem Energieeintrag, möglicherweise um Tiefschweissen handelt. In diesem Zusammenhang werden die Aachener Forschenden die mechanischen Eigenschaften wie Mikrohärte, Zugfestigkeit und Duktilität untersuchen, um Aussagen über die Auswirkung dieser unterschiedlichen Schweissregime und die Übertragbarkeit der Prozesse treffen zu können.

Grundlegend anders, aber vielversprechend
In weiteren Untersuchungen sollen die chemischen Zusammensetzungen der mit EHLA und LPBF hergestellten Proben verglichen werden. Auch die EHLA-Prozessparameter wie Partikelgeschwindigkeit und Pulvermassenstrom werden hinsichtlich ihres Einflusses auf die chemischen Eigenschaften der resultierenden Proben untersucht. Darüber hinaus wird aufgrund des unterschiedlichen Energieeintrags das Verdampfungsverhalten der verschiedenen Legierungen untersucht und verglichen.
Die Mikrostruktur der hergestellten Proben ist bei beiden Verfahren dendritisch. Die gemessenen Dendritenarmabstände (DAS) sind ähnlich und können durch Anpassung der Prozessparameter, wie zum Beispiel der Prozessgeschwindigkeit im EHLA, weiter angeglichen werden. Aus diesem Grund gehen die Aachener Forschenden davon aus, dass die resultierenden Mikrostrukturen und damit die mechanischen Eigenschaften von Proben, die mittels EHLA und LPBF gefertigt wurden, vergleichbar sind.
Die Ergebnisse hinsichtlich der mikrostrukturellen Eigenschaften deuten deshalb darauf hin, dass EHLA als fortschrittliches Werkzeug für die effiziente Entwicklung von Legierungen speziell für das LPBF geeignet ist.

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RWTH Aachen
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