Bild 1: Abfallhierarchie der EU.

Ausgabe 11 | 2024

Im Kontext der Ökobilanz-Wirksamkeit und Kreislaufwirtschaft

Fraunhofer IFAM

Der Green Deal der EU-Kommission umfasst den Aktionsplan Kreislauf-wirtschaft, der den Übergang von der Linearwirtschaft (auch «Wegwerf-Wirtschaft» genannt) zur Kreislaufwirtschaft beschreibt. Häufig wird der Begriff «Kreislaufwirtschaft» fälschlicherweise nur auf Recycling reduziert. Der Aktionsplan betrachtet den Produktlebenszyklus ganzheitlich und bewertet ihn hinsichtlich seiner Ressourceneffizienz insgesamt.

Die EU-Abfallrahmenrichtlinie und das EU-Katalogisierungssystem mit den neun R-Strategien dienen als Wegweiser für die Kreislaufwirtschaft und stellen einen Bezug zwischen Ökodesign und Kreislaufwirtschaft her. In diesem Kontext leistet die Klebtechnik herausragende Beiträge und ermöglicht es, Verbindungen wieder zu trennen, ohne dem Recycling entgegenzuwirken.
Zentraler Bestandteil des Aktionsplans Kreislaufwirtschaft ist die EU-Abfallrahmenrichtlinie [1] (Bild 1). Sie umfasst folgende drei Schwerpunkte: An oberster Stelle steht die «Vermeidung von Abfall». Dann folgt die «Verwertung von Abfall». Am Schluss steht die «Beseitigung von Abfall». Auf dieser Basis ist die EU-Abfallrahmenrichtlinie hierarchisch in fünf Stufen gegliedert (Bild 1), wobei «Recycling» erst an dritter Stelle steht. Schon jetzt wird deutlich, dass entgegen der öffentlichen Wahrnehmung und der politischen Bewertung «Recycling» nicht oberste Priorität hat [2, 3].

Klebtechnik und R-Strategien
Das Kerngerüst der Überführung einer Linearwirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft folgt den drei hierarchisch aufgebauten Leitprinzipen

  1. Intelligentere Produktverwendung und -herstellung zur Verringerung des Rohstoffverbrauchs,
  2. Verlängerung der Lebensdauer des Produkts und seiner Teile, um Rohstoffe im Wirtschaftssystem zu halten und
  3. nützliche Anwendung von Materialien zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen.

Es gliedert sich auf dieser Basis in die sogenannten neun R-Strategien – R1-refuse, R2-rethink, R3-reduce, R4-reuse, R5-repair, R6-refurbish, R7-remanufacture, R8-repurpose und R9-recycle – auf (Bild 2). Das heisst, die Transformation in Richtung Kreislaufwirtschaft umfasst somit nicht nur weit mehr als das Einzelelement «R9-recycling». «Recycling» steht auch an letzter Stelle. Die anderen R-Strategieelemente sind dem Recycling übergeordnet [4].

R1-refuse (verweigern)
R1-refuse ist ein übergeordnetes, umfassendes und technologieunspezifisches R-Strategieelement. Der Produktnutzen kann auch anderweitig erfüllt werden, für Verbraucherinnen und Verbraucher ist das Produkt also nicht notwendig, und sie können darauf verzichten.

R2-rethink
Das Umdenken (rethink) fängt im Kopf an. In der Kreislaufwirtschaft geht es grundsätzlich darum, nicht nur bewusst beim Kauf, sondern auch bei der Nutzung zu konsumieren. Wenn ein Gebrauchsgerät regelmässig durch Instandhaltung, Reinigung und Pflege gewartet wird, kann dessen Haltbarkeit (Langzeitbeständigkeit) deutlich erhöht werden. Die Verbesserung der Langlebigkeit von Produkten zum Erhalt der Rohstoffe innerhalb des Kreislaufsystems gehört im Sinne des Strategieelements R2-rethink, also der längeren Produktnutzung, mit zu den wirksamsten Ökodesignstrategien.
Durch die Langzeitbeständigkeit von Klebungen verlängert sich für geklebte Produkte die Produktlebenszyklusphase «Nutzung». So steigt die Lebensdauer eines Autos stetig [5]. Die Gesamtfahrleistung eines ICE bei einer projektierten Lebensdauer von 20 Jahren und einer Jahresfahrleistung von 500’000 km beträgt 20 Millionen km. Flugzeuge fliegen bis zu 30 Jahren und werden dafür regelmässig überwacht und instandgesetzt [6, 7].
In Windenergieanlagen sind auf Grund der hohen Rotationsgeschwindigkeiten von bis zu 390 km/h die Vorderkanten der Rotorblätter hohen Abrasionsbelastungen ausgesetzt. Die daraus sich ergebenden Reparaturen der massiven Laminatschädigungen, insbesondere im Bereich der Vorderkanten, müssen möglichst schnell erfolgen, um die aus den Beschädigungen entstehenden Verwirbelungen und die daraus resultierende aerodynamische Verschlechterung, die letztlich einen Verlust an Energieausbeute erzeugt, zu minimieren. Daher wird bereits bei der Rotorblattfertigung eine Schutzschicht auf die besonders beanspruchten Vorderkanten geklebt, um auch unter den extremen Offshore-Bedingungen eine dauerhaft glatte Oberfläche zu garantieren. Diese erforderliche Oberflächenglätte können andere Verbindungsverfahren nicht realisieren. Schrauben und Nieten sind aufgrund von Schäden am Rotorblatt-Laminat und den durch Spannungsspitzen verursachten Verringerungen der mechanischen Belastbarkeit des Rotorblatts unpassend. Die Köpfe der Schrauben und Nieten verursachen zudem erhebliche Verwirbelungen, die die Energieausbeute reduzieren. Die beschriebenen Klebungen stellen somit nicht nur die projektierte Energieausbeute sicher. Sie verhindern ebenfalls den sonst aus der Laminatschädigung entstehenden Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt.Die gemäss R2-rethink geforderte Langlebigkeit ist in vielen Strukturen geklebter Produkte nachgewiesen. Aus ganzheitlicher Sicht ermöglicht das Kleben somit Bau- und Konstruktionsprinzipien mit deutlich verbesserten Ökobilanzen.
Darüber hinaus verlängert sich die Produktlebenszyklusphase «Nutzung» durch die kontinuierliche Verbesserung der Alterungs-beständigkeit durch den Einsatz optimierter Oberflächenbehandlungsverfahren. Diese verbessern als essenzieller Langzeitbeständigkeitsfaktor die Adhäsion zwischen den Fügeteilober-flächen und dem jeweiligen Klebstoff [8 bis 11].

R3-reduce
Die Leichtbauweise besteht darin, langzeitig die gleiche Funktionalität mit weniger Material zu erzielen. Damit zählt sie zweifelsohne zu den wirksamsten Ökodesignstrategien zur Vermeidung von Abfall und zur Energieeinsparung in der Produktlebenszyklusphase «Nutzung» [12]. Die Klebtechnik ist auf Grund ihres einzigartigen Potenzials, alle Werkstoffe mit sich und anderen langzeitbeständig und sicher zu verbinden und dabei gleichzeitig Werkstoffeigenschaften im Produkt zu erhalten, eine der wichtigsten Fügetechnologien zur Umsetzung sowohl des konstruktiven als auch werkstofflichen Leichtbaus [13, 14]. Sie stellt demzufolge eine Schlüsseltechnologie auch für die Kreislaufwirtschaft dar.
Klebstoffe sind bei der Miniaturisierung (zum Beispiel in der Elektronikfertigung) auf Grund ständig steigender Funktionalitäten, die immer kleinere Dimensionen erfordern, zwingend erforderlich und ideal geeignet, auch auf kleinstem Raum verschiedenste Werkstoffe unter Erhalt ihrer Eigenschaften schnell und ebenfalls sicher sowie langzeitbeständig zu verbinden [15, 16]. Die Klebstoffe ermöglichen bei der Miniaturisierung jedoch im Sinne der Produktlebensdauerverlängerung zusätzlich das werkstoffgerechte, hochpräzise Fügen von Miniaturbauteilen [17]: Fixieren von Spulen, Abdichten von Gehäusen, Einsatz als Chipvergussmassen im Hochzuverlässigkeitsbereich zum Schutz feiner Chipstrukturen und Drähte vor mechanischen Belastungen wie Vibrationen und Temperaturschwankungen und Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit und Korrosion. Dies kann mit anderen Fügetechniken nur mit deutlich höherem Aufwand oder gar nicht realisiert werden [18, 19].

R4-reuse, R5-repair, R6-refurbish, R7-remanufacture, R8-repurpose
Im berufsmässigen Einsatz wird klebtechnisch nach detailliert ausgearbeiteten Reparaturanweisungen verfahren. Bereits seit Jahrzehnten werden in Verkehrsmitteln – das Auto ist nur ein Beispiel (Bild 4) – defekte Scheiben entfernt und neue Scheiben eingeklebt. Der Scheibenausbau ist bereits in der Konstruktion berücksichtigt. Diese Reparatur wird in allen Autowerkstätten nach vorgegebenen, erprobten Verfahren durchgeführt.
Auch Displayscheiben von Mobiltelefonen lassen sich oft mittels Reparaturkits austauschen. Im Internet gibt es für nahezu jeden Telefontyp Reparaturanweisungen, sodass auch der versierte Laie viele Reparaturen – einschliesslich des Lösens der Klebverbindungen – selbstständig ausführen kann.
Die angeführten Beispiele sind grundsätzlich auf nahezu alle anderen klebtechnischen Anwendungsbereiche wie Schiffbau, Optik, (Zahn-)Medizin, Medizintechnik, Haushaltsgeräte, Akustikindustrie, Schuh- und Sportartikelindustrie und viele mehr übertragbar.

Einschub: nichtlösbare Verbindungstechniken – ein mögliches Missverständnis auch für die Kreislaufwirtschaft und die R-Strategieelemente R4 bis R9
Das Kleben wird technisch korrekt den «nichtlösbaren» Verbindungstechniken zu geordnet [20, 21]. Diese richtige Zuordnung wird aber landläufig und auch auf politischer Entscheidungsebene in der landläufigen wie politischen Bewertung der Klebtechnik grundsätzlich und insbesondere im ökologischen Kontext völlig falsch verstanden. Dieses falsche Verständnis führt zu der ebenso falschen Bewertung, dass «nichtlösbare» Verbindungen (wie das Kleben) auf Grund ihrer scheinbaren Nicht-Trennbarkeit die R-Strategieelemente R4-reuse, R5-repair, R6-refurbish, R7-remanufacture, R8-repurpose und insbesondere R9-recycle erschweren beziehungsweise verhindern. Grundsätzlich – und damit auch für die Klebtechnik – gilt: Jede, sowohl die mit «lösbaren» [20] als auch die mit «nichtlösbaren» Verbindungtechniken [21] hergestellte Verbindung kann auch wieder gelöst werden [22]. Der Unterschied zwischen beiden Verbindungstechniken besteht lediglich darin, dass bei den «lösbaren» die Fügepartner durch den Trennprozess keine (in der Regel geometrische) Beschädigung erleiden und als Fügeteil nach dem Trennprozess für neue Produktherstellungen erneut eingesetzt werden können. Bei mit «unlösbaren» Verbindungstechniken [21] hergestellten Produkten werden ein oder beide Fügepartner (in der Regel geometrisch) durch den Trennvorgang beschädigt. Bei Reparaturen (R5-repair), bei denen einer der beiden Fügepartner defekt ist, sind Klebungen deshalb so zu designen, dass die getrennte Klebverbindung mit oder ohne restlichen Klebstoff auf der Seite des funktionsfähigen, geometrisch nicht beschädigten Fügepartners mithilfe eines geeigneten Klebstoffs direkt wieder repariert und so der defekte Fügepartner ausgetauscht werden kann. Bei reinen Demontageaufgaben im Rahmen einer Reparatur ist dafür zu sorgen, dass beide Fügepartner bei der Trennung nicht beschädigt und (mit und ohne restlichen Klebstoff auf den Fügeflächen) mithilfe eines geeigneten Klebstoffs wieder direkt miteinander verbunden werden können.
Beiden Verbindungsarten ist gemein, dass die grundsätzliche Recyclingfähigkeit nicht von der gewählten Verbindungstechnik, sondern von den gewählten Materialeigenschaften der Fügepartner-Werkstoffe abhängt. Dies gilt sowohl für «lösbare» als auch für «nichtlösbare» Verbindungstechniken im Zusammenhang mit dem Strategieelement R9-recycle.
Die Trennprozesse geklebter Produkte wurden dazu 2020 eigens in der DIN/ TS 54405:2020-12 [23] zusammenfassend veröffentlicht. Das Dokument stellt dem Anwender schon jetzt eine Leitlinie zum Trennen geklebter Verbindungen zur Verfügung und wird Gegenstand eines aktuellen Projekts [24] derzeit in eine ISO-Norm überführt.

R9-recycle
Weder das innovativste Produktdesign noch eine optimierte Produktherstellung und -nutzung können in der Regel verhindern, dass Produkte oder Produktteile nach einer möglichst langen Produktlebenszyklusphase «Nutzung» zu Abfall werden. Der Grund dafür besteht darin, dass ab einer gewissen Nutzungsdauer der Aufwand für die Strategieelemente R4 bis R8 zu hoch wird. Das hat auf Grund zusätzlichen Verbrauchs an Materialien und Energie ökonomische und – noch mehr – ökologische Gründe.
Die Aufgabe besteht folglich darin, möglichst viele der im Produkt enthaltenen Ressourcen zurückzugewinnen. Herbei hat sich folgende Hierarchie entwickelt:

  • Stoffliche Verwertung (Materialrecycling)
  • Energetische Verwertung (Verbrennung)
  • Entsorgung (Deponie)

Bei der stofflichen Verwertung wird zwischen mechanischem und chemischem Recycling unterschieden (Bild 4).
Beim mechanischen Recycling stellt nach einem möglichst optimalen Sortierprozess das Trennen der in einem Produkt enthaltenen Materialien heute eine Schlüsselaufgabe in allen Recyclingprozessen dar. Nahezu alle Produkte des täglichen Lebens bestehen heute aus einer Kombination unterschiedlichster Materialien. Hierbei erfährt das Kleben auf Grund seiner herausragenden Eigenschaft, alle Werkstoffe unter Erhalt ihrer Eigenschaften langzeitbeständig und sicher fügen zu können, eine immer grössere Bedeutung. Unabhängig davon, welches Fügeverfahren auch immer eingesetzt wird, schon beim Design des Verbundes muss das Trennen für die Produktlebenszyklusphase «End of Life» berücksichtigt werden. Dazu ist eine genaue Kenntnis des Recyclingprozesses der designten Produkte erforderlich, da in den Recyclingprozessen jeweils spezifische Sortier- und Trennprozesse integriert sind. Sind diese Anforderungen bekannt, können für alle Fügeverfahren, das heisst auch für das Kleben, entwickelt werden.
Beim chemischen Recycling werden, um durch Zuführung von Energie in Form erhöhter Temperatur und Druck die in den Materialien enthaltenen Kohlenwasserstoffe zurückzugewinnen, verschiedene Verfahren eingesetzt [25]. Diese Verfahren reichen von der Solvolyse homogener, sortenreiner Abfälle über die Pyrolyse definierter Abfallgemische bis hin zur Gasifikation breiter Abfallsortimente. Ob gefügte, aus unterschiedlichen Kunststoffen bestehende Produkte vorher getrennt werden müssen, kann nur bei Kenntnis des spezifischen chemischen Recyclingprozesses gesagt werden. Jedoch sollten auch hier anhaftende Klebstoffreste auf Grund der geringen Menge und ihrer chemischen Zusammensetzung keine Probleme bereiten.
Die verbleibenden Klebstoffreste werden in vielen Recyclinganlagen dem energetischen Recycling zugeführt. Ein Materialrecycling des Klebstoffs macht auf Grund der geringen Menge und der Heterogenität der eingesetzten Stoffe weder ökologischen noch ökonomischen Sinn. Die meisten Klebstoffe lassen sich sehr effektiv verbrennen, sodass der letzte Schritt in der Abfallverwertung, die Deponie, für verwendete Klebstoffe nicht relevant ist.

Zusammenfassung und Ausblick
Das übergeordnete Ziel einer Kreislaufwirtschaft, das heisst die Optimierung der Ökobilanzwirksamkeit, besteht darin, Wertstoffe so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten. Aus diesem Grund darf die Kreislaufwirtschaft nicht, wie es leider allzu häufig geschieht und in Bild 5 dargestellt ist, auf das Thema «Recycling» reduziert werden.
In gleicher Weise darf auch die Klebtechnik nicht auf das Thema «Recycling» reduziert werden [26]. R9-recycle ist lediglich ein R-Strategieelement. Der Einsatz der Klebtechnik ist grundsätzlich über die Produktlebenszyklusphasen «Entwicklung», «Nutzung» und «End of Life» vor dem Hintergrund ihrer technologischen und ökologischen Leistungsfähigkeit bezogen auf die R-Strategieelemente R2 bis R9 ganzheitlich im Sinne der «Ökobilanzwirksamkeit» zu bewerten (Bild 6).
Diese Ökobilanzwirksamkeit impliziert die «Verifizierte Langlebigkeit» [27], das heisst die untrennbare Verknüpfung von gesetzlich geforderter Produktsicherheit [28] und die erforderliche Ökobilanzeffizienz im Sinne der Kreislaufwirtschaft (Bild 7), zur Grundlage geklebter Produkte zu machen. Im Bereich «Produktsicherheit» gilt, dass die dem Anwender zur Verfügung stehenden Kleb- und Dichtstoffe Hochleistungsprodukte sind, die, wenn sie fachgerecht schon bei der Entwicklung und in der Herstellung geklebter Produkte fachgerecht eingesetzt werden, zu einer Null-Fehler-Anwendung führen. Letzteres wird – inzwischen weltweit – durch qualitätssichernde Anwenderstandards [29 bis 31] und durch personalzertifizierende, produktneutrale, branchen- und hierarchieübergreifende Klebpersonal-Qualifizierungen [32 bis 34] unterstützt. Hinsichtlich der Ökobilanz gilt, dass die Klebtechnik – wie dargestellt eine im Sinne der Kreislaufwirtschaft und Ökobilanzwirksamkeit hocheffektive Verbindungstechnik ist [35]. Ausgewählte F&E-Bereiche für ein ökobilanziell effizientes und kreislaufwirtschaftsgerechtes Produktdesign stellen zum Beispiel Konstruktionsmethoden mit dem Ziel eines demontagefreundlichen Designs dar. Dafür ist die Produktlebenszyklusphase «End of Life» (Entsorgung) bereits in der Entwicklung geklebter Produkte als fester Bestandteil zu integrieren, jedoch im Sinne der oben genannten «Verifizierten Langlebigkeit», das heisst ohne Beeinträchtigung der Produktsicherheit. Ein weiteres Thema in diesem Kontext ist beispielsweise das gezielte Debonding als Voraussetzung für Reparatur, Demontage und Recycling.
Hinsichtlich der klebtechnischen Anwendungsmethoden stellen die Bemessung von Klebverbindungen und der Klebstoffauftrag exemplarische F&E-Bereiche dar. Hierbei geht es um die Erstellung realistischer Anforderungsprofile (Spezifikationen) zum Beispiel mit der Vorgabe, «Over-Engineering» zu vermeiden. Die Alterungsbeständigkeit geklebter Verbindungen sowie auf den Klebstoff und auf das Anforderungsprofil abgestimmte Auftragstechniken zählen ebenfalls dazu.
Das gezielte Debonding als Voraussetzung für Reparatur, Demontage und Recycling stellt auch im Zusammenhang bei der Entwicklung von Kleb- und Dichtstoffen einen Schwerpunkt dar. Weitere Schwerpunkte sind auf die Entwicklung von Klebstoff-Rohstoffen aus Polymerrezyklaten, auf das Auffangen (Binden) von Kohlendioxid, auf Klebstoffe mit hoher Kompatibilität zu den Substratmaterialien und auf die stärkere Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Klebstoffen, sowohl für nicht reaktive als auch für reaktive Klebstoffe, zu legen.Letztlich wird die Digitalisierung den Einsatz der Klebtechnik bei der Überwindung bestehender Informationsdefizite unterstützen und computerunterstützte Simulationen führen zur Reduzierung experimentellen Aufwands (Stichwort: digitaler Zwilling). Die digitalisierte Langzeitüberwachung von Klebverbindungen durch Structural Health Monitoring (SHM) ist ein weiteres Schwerpunktbeispiel.
Der Einsatz der Klebtechnik wird sich im 21. Jahrhundert auf Grund der zunehmenden Werkstoffvielfalt und der gleichzeitig zunehmenden Notwendigkeit der Differenzialbauweise (Multimaterialverbunde) verstärken (müssen). Die dazu notwendigen technologischen und ökologischen Voraussetzungen sind technologie-immanent und alle beteiligten «Kleb-Partner» haben ihre Innovationsfähigkeit bereits in der Vergangenheit zur Genüge unter Beweis gestellt, sodass es überhaupt keine Zweifel daran gibt, das nicht auch in der Zukunft zu tun.

Die «Verifizierte Langlebigkeit» (Bild 8) stellt dafür die inhaltliche Basis dar.

ZUM AUTOR
Prof. Dr. Andreas Gross
Leiter Weiterbildung und Technologietransfer,
Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM
Wiener Strasse 12
D-28359 Bremen
www.ifam.fraunhofer.de
info@ifam.fraunhofer.de

Literatur

[1] Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträg-lichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG), § 6, https://www.gesetze-im-internet.de/krwg/6.html, aufgerufen am 1.2.2024.

[2] A. Gross: Kontrollierte Langlebigkeit – eine Vision für die Klebtechnik im 21. Jahr-hundert. In: Dichtungstechnik Jahrbuch (2023);

K.-F. Berger, S. Kiefer (Hrsg.); Isgatec GmbH; Mannheim, S. 208-251.

[3] B. Mayer und A. Gross: Weitere für die Verbindungstechnik «Kleben» relevante Gesetzgebung im Rahmen der Kreislaufwirtschaftsstrategie der Europäischen Union. In: Kreislaufwirtschaft und Klebtechnik – eine Studie des Fraunhofer IFAM, Fraunhofer Verlag: Stuttgart, 2020, S. 87-99.

[4] Gross, A.: 9 R statt R 9. In: Tagungsband 21. Bremer Klebtage (Fraunhofer IFAM Hrsg.), 2023, Eigendruck.

[5] B. Engel: Werden Autos bald für die Ewigkeit gebaut? In: PS Welt 2018, https://www.welt.de/motor/article181378662/Werden-Autos-bald-fuer-die-Ewigkeit-gebaut.html, aufgerufen am 1.2.2024.

[6] W. Wille: Dreimal bis zur Sonne. In: Frankfurter Allgemeine, 2005, https://www.faz.net/ aktuell/technik-motor/technik/ice-dreimal-bis-zur-sonne-1231182.html, aufgerufen am 1.2.2024.

[7] L. Farwer: Lebensdauer eines Flugzeugs – Infos zu Verschleiss und Haltbarkeit. In: Focus online, 2018, https://praxistipps.focus. de/lebens-dauer-eines-flugzeugs-infos-zu-verschleiss-und-haltbarkeit_97834, aufgerufen am 1.2.2024.

[8] R. Wilken und H. Gleich: Kunststoffe richtig vorbehandeln Teil 1. In: adhäsion KLEBEN + DICHTEN 2016, 11, S. 26-31.

[9] R. Wilken und H. Gleich: Kunststoffe richtig vorbehandeln Teil 2. In: adhäsion KLEBEN + DICHTEN 2016, 12, S. 28-33.

[10] J. Comyn: Surface treatment and analysis for adhesive bonding. In: International Journal of Adhesion and Adhesives 1990, 10/3, S. 161-165, https://doi.org/10.1016/0143-7496(90)90099-J., aufgerufen am 1.2.2024.

[11] U. Lommatzsch, K. Thiel, M. Noeske, J. Ihde and R. Wilken: Solutions for lightweight construction and CO2 footprint reduction by analysis of surfaces exposed to laser and plasma treatment. In: Abstracts of Papers of The American Chemical Society 258 (2019), Meeting Abstract 245, ACS Fall National Meeting and Exposition (August 25-29, 2019), San Diego, USA.

[12] P. M. Skov Hansen, F. Andersen, K. Madsen, M. Rames, B. S. S. Hanswen, J. Viegand, C. Fischer, K. Graulich, R. Kemna, E. Maier, H. Couveée, R. van den Boorn, R. van Holstejn, D. Kemna, M. van Elsburg and P. Wesselman: Preparatory the Ecodesign and Energy Labbelling Working Plan 2020-2024, Task 2 Identification of Product Groups and Horizontal Initiatives – Final. In: ©European Union, April 2021, S. 29, https://drive. google.com/file/d/1oLmBDyg_E6GBDi-Hu-RiUy-1U3pW-UCgA/view, aufgerufen am 1.2.2024.

[13] T. Heller, H.-J. Kaiser, A. Kern und H.-J. Tschersich: Moderne hochfeste Stähle im Nutzfahrzeug- und Mobilkranbau. In: ATZ – Automobiltechnische Zeitschrift 1998, 100, S. 664-668.

[14] A. Lutz und D. Symietz: Gleiche Strukturfestigkeit trotz dünnerer Bleche, Kleben von hochfestem Stahl. In: adhäsion KLEBEN + DICHTEN 2008 (10), 52, S. 14-18.

[15] J. Pfeiffer: Zeitreise: Vom Alleskleber zum Multitalent. In: Konstruktionspraxis, 2015, https://www.konstruktionspraxis.vogel.de/ zeitrei-se-vom-alleskleber-zum-multitalent-a-502008/, aufgerufen am 1.2.2024.

[16] B. Mayer und A. Gross: Neue Produktanforderungen – die Rolle der Verbindungstechnik «Kleben». In Kreislaufwirtschaft und Klebtechnik – eine Studie des Fraunhofer IFAM, Fraunhofer Verlag: Stuttgart, 2020, S. 26-28.

[17] A. Schröter: Kleben in der Elektronik – Aktuelle Trends, https://evertiq.de/news/6385, aufgerufen am 1.2.2024.

[18] B. Mayer und A. Gross: Energieverbrauch und Materialeffizienz/Ressourceneffizienz. In: Kreislaufwirtschaft und Klebtechnik – eine Studie des Fraunhofer IFAM, Fraunhofer Verlag: Stuttgart, 2020, S. 100-117.

[19] B. Richter Hightech-Klebstoffe von heute machen Hightech-Fahrzeuge von morgen möglich. In: Konstruktionspraxis, 2016, https://www.konstruktionspraxis.vogel.de/hightech-klebstoffe-von-heute-machen-hightech-fahrzeuge-von-morgen-moeglich-a-549129/, aufgerufen am 1.2.2024.

[20] M. Bassing: Lösbare Verbindungen. https://www.metallbau-stahlbau.net/loesbare-verbindung, aufgerufen am 1.2.2024.

[21] M. Bassing: Unlösbare Verbindungen. https://www.metallbau-stahlbau.net/unloesbare-verbindung, aufgerufen am 1.2.2024.

[22] B. Mayer und A. Gross: Nichtlösbare Verbindungstechniken – ein mögliches Missverständnis, auch für die Kreislaufwirtschaft. In: Kreislaufwirtschaft und Klebtechnik – eine Studie des Fraunhofer IFAM, Fraunhofer-Verlag: Stuttgart, 2020, S. 118-121.

[23] DIN/TS 54405-04/2021, Konstruktionsklebstoffe – Leitlinie zum Trennen und Rück-gewinnen aus geklebten Verbindungen, Beuth-Verlag Berlin, 2021.

[24] ISO/AWI 21037, Adhesives – Guideline für separating adhesively bonded joints enabling repair and improving recycling, in Vorbereitung.

[25] B. Mayer und A. Gross: Strategien für die Klebtechnik zur Unterstützung von Kreislaufwirtschaft und Ökodesign/Einleitung. In: Kreislaufwirtschaft und Klebtechnik – eine Studie des Fraunhofer IFAM, Fraunhofer Verlag: Stuttgart, 2020, S. 250-256.

[26] B. Mayer und A. Gross: Klebtechnik und Recycling. In: Kreislaufwirtschaft und Klebtechnik – eine Studie des Fraunhofer IFAM, Fraunhofer Verlag: Stuttgart, 2020, S. 229-234.

[27] B. Mayer und A. Gross: Future perspective: Controlled longevity – linking product safety and eco-balance effectiveness when adhesive bonding technology is used – The ecological potential of adhesive bonding technology. In: Adhesive Bonding Technology in the 21st Century – Synergy of Technological und Ecological Potentials, (FEICA/Fraunhofer IFAM Hrsg.), 2022, S. 55-57.

[28] Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)/Product Safety Act – Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt. Letzte Neufassung vom 8.11.2011, BGBl., S. 2178, ber. 2012, S. 131, Directive 2001/95/EC of the European Parliament and the Council of 3 December 2001 on general product safety, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/?uri=celex%3A32001L0095, aufgerufen am 1.2.2024.

[29] B. Mayer und A. Gross: Kleben – aber sicher: die Entwicklung und Umsetzung von Qualitätsnormen zur Gewährleistung sicheren Klebens. In Kreislaufwirtschaft und Klebtechnik – eine Studie des Fraunhofer IFAM, Fraunhofer Verlag: Stuttgart, 2020, S. 58-67.

[30] A. Gross: Klebtechnische Qualitätssicherung – DIN-Normen inzwischen international. In: Dichtungstechnik Jahrbuch 2025; K.-F. Berger, S. Kiefer (Hrsg.); Isgatec GmbH; Mannheim, 2025, S. 224-234.

[31] A. Gross, E. Meiss und F. Stein: DIN-Normen werden international. In: adhäsion KLEBEN + DICHTEN 2023, 9, S. 19-25.

[32] Richtlinie DVS/EWF 3309 Europäischer Klebfachingenieur, DVS Media, Düsseldorf, 2019, Guideline for European Adhesive Engineer (EAE) an European Adhesive Specialist (EAS) EWF-662r0-19, EWF Management Team, Porto Salvo, Portugal.

[33] Richtlinie DVS/EWF 3305 Europäischer Klebpraktiker, DVS Media, Düsseldorf, 2019, European Adhesive Bonder (EAB) EWF-5152r2-19, EWF Management Team, Porto Salvo, Portugal.

[34] A. Gross und E. Meiss: Wissen und verstehen, was man tut – Das Potenzial der Klebtechnik und die Notwendigkeit der Qualitätssicherung. In: Dichtungstechnik Jahrbuch 2019; K.-F. Berger, S. Kiefer (Hrsg.); Isgatec GmbH; Mannheim, 2019, S. 367-374.

[35] B. Mayer and A. Gross: The ecological potential of adhesive bonding technology. In: Adhesive Bonding Technology in the 21st Century – Synergy of Technological und Ecological Potentials, (FEICA/Fraunhofer IFAM Hrsg.), 2022, S. 39-52.

Dezember

Valve World Expo, Düsseldorf

Internationale Fachmesse mit Kongress für Industrie-Armaturen
3. bis 5. Dezember
www.valveworldexpo.de

Januar

Logistics & Automation, Zürich

Branchentreffpunkt für die Logistikindustrie
22. und 23. Januar
www.logistics-automation.ch

Empack, Zürich

Branchentreffpunkt der Schweizer Verpackungsindustrie
22. und 23. Januar
www.empack-schweiz.ch

Februar

KPA, Ulm

Marktplatz für Design, Entwicklung, und Beschaffung von Kunststoffprodukten
25. und 26. Februar
www.kpa-messe.de

LOPEC, München

Internationale Fachmesse und Kongress für gedruckte Elektronik
25. bis 27. Februar
www.lopec.com