Roboteranlage mit LMD-Bearbeitungskopf und integriertem Laser-Linienscanner, realisiert im BMBF-geförderten Projekt ProLMD: Scannen des additiv gefertigten Reparaturvolumens auf dem Bauteil. Dank der Nutzung eines fasergeführten Systems kann der KUKA-Roboter nahezu uneingeschränkt arbeiten und auch komplexe Geometrien realisieren.

Ausgabe 11 | 2020

Hybrid-additive Fertigung mit Laser­auftragschweissen

Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT

Dem Roboter trauen bisher viele keinen Einsatz auf dem Gebiet der additiven Fertigung zu. Das Gegenteil beweist das BMBF-Förderprojekt «ProLMD»: In ihm entstanden in Teamarbeit neue Hybrid-Prozesse, die konventionelle Fertigungsverfahren mit Laserauftragschweissen (Laser Material Deposition, LMD) und drei Robotern zu einem neuen Fertigungsansatz vereinen. Das Erfolgsrezept erklären vier Experten des BMBF, des Karlsruher Instituts für Technologie, von KUKA Industries und dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT.

Herr Dr. Bossy, was fiel bei ProLMD besonders auf?
Dr. Helmut Bossy, Referent und stellvertretender Leiter des Referats 521 «Zukunft von Arbeit und Wertschöpfung; Industrie 4.0» im Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, Bonn: Das Projekt hat sich von Anfang an dadurch ausgezeichnet, dass alle Projektpartner hochmotiviert und gut koordiniert an die Forschungsarbeiten herangegangen sind. Auf Basis der Arbeiten am Fraunhofer ILT zusammen mit den Anwenderfirmen liessen sich schnell erste Erfolge beim Laserauftragsschweissen kleiner Strukturen auf grossflächigen Bauteilen erzielen. Als innovativ empfand ich, dass hier zwei Ansätze verschmolzen werden: die Pulver- und die Drahtschweissung. Positiv ist auch der Hybrid-Ansatz, bei dem man die Vorteile anderer konventioneller Fertigungsverfahren, wie das Zerspanen oder das Ur- und Umformen, mit dieser additiven Technologie kombiniert.

Und was sprach für die finanzielle Unterstützung, dank der ja insgesamt drei Anlagen entstanden?
Helmut Bossy: Zunächst hat die Expertengruppe, die uns bei der Auswahl der Projekte beraten hat, dieses Vorhaben als hochinnovativ eingestuft und zur Förderung empfohlen. Im Übrigen finden die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur additiven Fertigung erst Einzug in die Praxis, wenn die erforschten und entwickelten Prozesse unter industriellen Bedingungen zuverlässig arbeiten. Um dies schrittweise, aber auch in einem angemessenen Zeitraum zu erreichen, waren in diesem Fall drei Demonstratoren erforderlich. Am Fraunhofer ILT konnte das wissenschaftliche Prozessverständnis vertieft und die notwendigen Verbesserungen an den Pulver- beziehungsweise Drahtköpfen der bestehenden Anlagentechnik vorgenommen werden. Eine weitere Anlage war für die Verknüpfung der unterschiedlichen Anlagenkomponenten erforderlich, wie das Roboterschweissen in kontrollierter Atmosphäre und die berührungslose Messtechnik zur Qualitätssicherung – und das alles unter industriellen Anforderungen. Mit den Erfahrungen aus beiden Anlagen konnten dann die Erkenntnisse in einen weiteren Anlagenaufbau am Fraunhofer ILT einfliessen. Dieser ist speziell auf die mittelständischen Unternehmen zugeschnitten, was beispielsweise Verfügbarkeit und einfache Handhabung der doch recht komplexen Prozesse der additiven Fertigung anbelangt.

Herr Neumann, der Geschäftsbereich Lasertec des KUKA-Standorts in Würselen übernahm die Projektleitung und Zellintegration des Roboters innerhalb des BMBF-Projekts ProLMD. Was hat Sie zur Teilnahme motiviert?
Günter Neumann, Head of KUKA Business Unit Laser Applications bei der KUKA Industries GmbH & Co. KG, Würselen: Kuka hat im Jahr 2015 bei der Übernahme der Reis Robotics die Reis Lasertec in Würselen in der Nähe des Fraunhofer ILT Aachen mit übernommen, um die damals bereits bestehenden guten Kontakte weiter auszubauen. Deshalb sind wir auch so affin, was solche Projekte angeht. Wir sehen die additive Fertigung als einen Zielmarkt, für den wir versuchen mit unserer Robotertechnologie einen Standard zu setzen. Es gibt dafür ja bereits hochspezialisierte Werkzeugmaschinen, die jetzt auf den Markt kommen. Wir wollten das Ganze aber günstiger gestalten und eine standardisierte Roboterzelle entwickeln. Wir werden niemals die Genauigkeit von einer Werkzeugmaschine erreichen, aber diese Präzision braucht es auch nicht überall.

Doch dem Roboter haben viele keinen Einsatz auf dem Gebiet der additiven Fertigung zugetraut?
Günter Neumann: Mit ProLMD haben wir jetzt bewiesen, dass der Roboter doch in der Lage ist, die additive Laserfertigung umzusetzen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der sich jetzt bei dem Projekt ergab.

Kommt additive Fertigung mit dem Roboter auch für den kleinen Jobshop infrage?
Günter Neumann: Ja genau. Es war natürlich ein glücklicher Umstand, dass das BMBF uns angesprochen hat, ob wir nicht auch schon etwas für den Mittelstand aufbauen können. Für diesen entstand eine Lösung, mit der sich vom Prinzip her genauso wie mit einer Hightech-Anlage arbeiten lässt. In Würselen besitzen wir eine Anlage mit einer kompletten Box, in der wir unter Schutzgasatmosphäre hochsensible Teile auf­bauen können. Aber das muss man ja nicht immer haben: dazu wurden unsere Kernkomponenten auf die wesentlichen Funktionen reduziert. Jetzt können wir sagen: «Hallo Mittelstand, für zahlreiche Anwendungen kann bereits unsere Basis-Variante der Zelle eine wirtschaftliche Lösung darstellen».

Herr Professor Schleifenbaum, wie beurteilen Sie generell die Bedeutung des metallischen 3D-Drucks mit Blick auf die Vielzahl von Bereichen, in denen das Fraunhofer ILT aktiv ist?
Professor Johannes Henrich Schleifenbaum, Inhaber des Lehrstuhls «Digital Additive Production DAP» an der RWTH Aachen University: Er hat hier bei uns in Aachen schon eine herausragende Bedeutung. So war das Fraunhofer ILT das erste Institut in Deutschland, der sich vollständig und umfassend mit den Themen Digitalisierung, Additive Manufacturing (AM) und 3D-Druck beschäftigte. Daraus hat sich eine wachsende Community entwickelt, die das Thema auch vom Design her denkt.

Welche Rolle spielte bei der Vielzahl von AM-Projekten das BMBF-Projekt ProLMD?
Johannes Henrich Schleifenbaum: Das Thema LMD ist im Bereich Beschichtung bekannt, im Bereich AM aber noch eine relativ junge Technik und ein sehr vielversprechendes Verfahren mit vielen Vorteilen, weil wir nur lokal Material zuführen und so viel grössere Bauteile entstehen können. Additive Fertigung arbeitet normalerweise schichtweise und damit nur langsam. Sie ist im Vergleich zum klassischen Giess- oder Umformverfahren sonst häufig kostenintensiv. Es ist nun ein Riesenschritt, dass das Verfahren zur schnellen und kostengünstigen Produktion befähigt wurde. Ausserdem lässt es sich nahtlos in bestehende Prozessketten integrieren.

Trägt das Projekt dazu bei, mehr in Prozessketten zu denken?
Johannes Henrich Schleifenbaum: Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es entsteht Mehrwert entlang der Schnittstellen von Domänen. Wir decken nun die gesamte Prozesskette ab und definieren die Schnittstellen entlang der Reifegrade der Verfahren. Nur so entsteht eine wirklich funktionsfähige Prozesskette, die auch in der Industrie Anwendung findet. Das ist schon einmalig. Es ist schon fast die Quadratur des Kreises, dass wir jetzt diese Technik in so einem Projekt der Industrie komplett verfügbar machen.

Ein Sprichwort sagt, dass «viele Köche den Brei verderben». Nun waren hier ja mit acht Partnern sehr viele Köche beteiligt. Was war das Erfolgsrezept?
Günter Neumann: Wir besassen bereits alle viel Erfahrung in der Zusammenarbeit in grossen Forschungsprojekten. Es hat gut gepasst, dass alle Partner die gleiche professionelle Einstellung besitzen und dass alle gleichberechtigt sind.
Helmut Bossy: Wir verstehen die industrielle Verbundforschung eher als ein Orchester, das alle Instrumente und Mitspielenden richtig besetzt und aufeinander abstimmt. Auf ProLMD übertragen heisst das: Die richtige Zusammensetzung des Konsortiums und ein schlüssiger Forschungsplan machen den Erfolg des Projektes aus. Das Fraunhofer ILT als Forschungspartner, verschiedene Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette aus der Automatisierungs-, Laser- und Messtechnik sowie mit Anwendern aus den Bereichen Automotive, Luft- und Raumfahrt gaben dem Konsortium die richtige Mischung für die zukunftsweisende Projektarbeit. KUKA Industries aus Würselen hatte als Projektkoordinator und späterer Systemanbieter dabei wesentlichen Anteil an der zielgerichtet durchgeführten Forschungsarbeit.

Herr Scherr, wie sehen Sie es als Projektbetreuer?
Dipl.-Ing. Stefan Scherr, Projektbevollmächtigter und Themenfeldverantwortlicher «Additive Fertigung – ProMat_3D» beim Projektträger Karlsruhe (PTKA), Produktion, Dienstleistung und Arbeit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen: Die Kooperation war sehr gut. Für das Projekt sprach, dass sich entlang der Wertschöpfungskette sehr erfahrene, innovative Firmen und Forschungsteilnehmer beteiligten.

Worauf sollte man bei dieser Form des technischen Teamworks achten?
Günter Neumann: Die Chemie zwischen den Leuten muss stimmen. Und ich glaube, das hätte sich schnell herauskristallisiert, wenn da einer «nicht mitspielt». Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Aspekt in einem Forschungsvorhaben.

Wenn Sie zurückblicken, was hat Sie am meisten überrascht?
Günter Neumann: Es war eine sehr gute Zusammenarbeit, jeder konnte sich auf die technologischen Projektergebnisse des anderen verlassen. Wir können nun etwas vorweisen, es ist nicht nur Theorie geblieben. Ausserdem haben wir am Fraunhofer ILT eine zusätzliche Lösung aufgebaut, die auch für Mittelständler eine interessante Alternative darstellt.

Herr Professor Schleifenbaum, spielte der Spirit von Aachen auch eine Rolle beim Gelingen des Projekts?
Johannes Henrich Schleifenbaum: Gerne lenke ich den Blick weg vom Fraunhofer ILT in Richtung RWTH Aachen, die dieses Jahr ihr 150-Jahr-Jubiläum unter dem Motto «Lernen. Forschen. Machen» begeht. In diesem doch sehr plakativen Spruch steckt viel drin: Wir sind hier alle vernetzt und haben schon gut verstanden, dass wir nur gemeinsam stark sind und dass diese Vernetzung einer unserer wesentlichen Punkte ist. Und wenn man das dann noch mit einer Macher-Attitüde kombiniert, dann ist das ein gutes Sprungbrett. Springen muss man noch, aber es ist ein gutes Sprungbrett.

Welche Rolle spielt dabei der Campus, schwingt hier der Spirit von Stanford und dem Silicon Valley mit?
Johannes Henrich Schleifenbaum: Wir ermöglichen hier Ähnliches, indem wir Räume, Land und Forschungsinfrastruktur bieten und so Unternehmen zu uns locken. Allein auf dem Campus gibt es mittlerweile mehr als 400 immatrikulierte Unternehmen, die mit uns gemeinsam entwickeln, forschen und die Zukunft gestalten. So bilden wir zusammen mit unseren Partnern ein europäisches «Engineering-Valley».

Was sind für Kuka die nächsten Schritte? Was würde im Idealfall dabei entstehen?
Günter Neumann: Ich hoffe, dass wir aus den Erkenntnissen ein Päckchen für Kunden schnüren können, in dem die Features «ready to use» sind. Das gibt es eigentlich noch selten. Der Unternehmer kann sich zwar vieles zusammenstellen, aber es fällt ihm noch schwer, alles aus einer Hand einzukaufen. In der engen Zusammenarbeit mit Instituten gelingt so etwas. Und das für die Industrie umzusetzen und hier zu nutzen – das muss das Ziel sein!

Die Firmen wünschen sich also Generalausrüster für additive Fertigung?
Günter Neumann: Das trifft zu. Im ProLMD Projekt zeigen wir nun, dass man alle Funktionen mit einer Maschine so kombinieren kann, dass sie problemlos bedienbar sind: Zwar benötigt der Anwender gerade in der additiven Laserfertigung ein Grundwissen zum Umgang mit Materialien und den technischen Anforderungen. Aber es muss alles zusammenpassen. Unser Ziel ist es unter anderem ein Rundum-Sorglos-Paket, eine Standardzelle für den KMU anzubieten.

INFOS | KONTAKT
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