Durch das Wälzschälen konnte Collins seine Prozesse noch zuverlässiger gestalten und die Qualität seiner Komponenten optimieren.

Ausgabe 06 | 2021

100 Jahre bekannt, jetzt in der Serien­fertigung

Dihawag AG, Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH

Vor über einem Jahrhundert meldete Wilhelm von Pittler ein Patent für das Wälzschälen von Verzahnungen, das sogenannte Power-Skiving-Verfahren, an. Im Jahr 1910 war dies eine ­revolutionäre Idee.

Eine breitere Anwendung in der modernen Fertigung findet das Verfahren jedoch erst, seit Bearbeitungszentren mit Systemen zur Steuerung und Synchronisierung der Spindeldrehzahlen und Software zur Prozessoptimierung ausgestattet sind. Diese Systeme ermöglichen den Einsatz dieser äusserst komplexen Technologie.
Seit 2019 setzt der Luft- und Raumfahrtspezialist Collins aus Figeac in Frankreich auf dieses produktive Verfahren. Zusammen mit seinem Werkzeugpartner Horn haben der Maschinenbediener Jean-Paul Noyes, Teamleiter Jean Pierre Destruel, Verfahrensingenieur Joel Bousquet und Verfahrensentwickler Pascal Moulènes, als Spezialist für Verzahnungsthemen, das Wälzschälverfahren für diverse Teiletypen umgesetzt.

Verkürzte Taktzeiten, erhöhte Bauteilqualität
«Verkaufen können viele, aber nur wenige können Fertigungsstrategien entwickeln und ihre Umsetzung aktiv unterstützen», sagt Pascal Moulènes über die Einführung des Wälzschälverfahrens und ergänzt: «Im Jahr 2015 konnten wir bei einem Werkzeugmaschinenhersteller dieses Verfahren bei der Massenproduktion von Werkzeugmaschinenkomponenten im Einsatz sehen.» Die hat das Interesse der Verantwortlichen, in Bezug auf die eigenen Anwendungsmöglichkeiten bei Collins, geweckt und die Auswahlentscheidungen neuer Bearbeitungsverfahren beeinflusst. Nach Investitionen in moderne Bearbeitungszentren, welche die Technologie beherrschen, suchten die Verantwortlichen um Pascal Moulènes nach einem Lieferanten für Wälzschälwerkzeuge.
«Auf der EMO 2017 in Hann­over haben wir den Prozess auf dem Stand von Horn in Aktion gesehen, und da wir uns auf der Suche nach einem Lieferanten für Hartmetall-Wälzschälwerkzeuge befanden, waren wir sehr interessiert», erzählt Pascal Moulènes. Die technische Unterstützung für die Umsetzung des Projektes bekamen sie von Emmanuel Gervais. Der Techniker ist bei Horn der erste Ansprechpartner, wenn es um die Zerspanung von sensiblen Aerospace-Bauteilen geht. Seine Expertise und seine Erfahrungen fliessen auch in die Entwicklung neuer Werkzeugkonzepte ein. Kein Wunder, dass Gervais auch im Epizentrum der europäischen Aerospace-Industrie, dem südwestlichen Frankreich um Toulouse, beheimatet ist.
Vor der Einführung des Wälzschälverfahrens wurden die ­Bauteile mit konventionellen Schneidwerkzeugen hergestellt. «Wir waren gerade dabei, die Fertigung unserer Teilefamilien im Bereich Verzahnung neu zu organisieren», erklärt Pascal Moulènes. Mit der neuen Technologie konnte Pascal Moulènes aufgrund der geringeren Anzahl von Rüstvorgängen die Fertigungsprozesse optimieren und die Liegezeit zwischen den Arbeitsgängen einsparen. Neben den verkürzten Taktzeiten erhöhte sich darüber hinaus auch die Bauteilqualität.

Ein neues Verfahren
«Das Wälzschälverfahren war neu für Collins, und wir mussten es erst im Detail kennen lernen. Aufgrund unseres Auftragsvolumen konnten wir aber keine langen Testläufe durchführen», erklärt Pascal Moulènes. Gervais schlug daher vor, die Tests im Horn-Testzentrum in Tübingen durchzuführen. «Die optimalen Bearbeitungsparameter für den eher schwer zu bearbeitenden Werkstoff 16NCD13 (1.6657) wurden nach mehreren Testreihen in Tübingen entwickelt. Die Ergebnisse waren für alle Test­reihen reproduzierbar, bei gleichbleibend hoher Qualität», erklärt er. Die Versuchsteile sendete Horn zurück ins Collins-Werk zum Qualitätscheck. Der maximal zulässige Profilfehler der Verzahnung liegt bei einer Abweichung von 0,03 mm. Die Testreihe von Horn lag im Mittel bei einer Abweichung von 0,015 mm. «Horn war in der Lage, die Wälzschälwerkzeuge mit einem Rundlaufkorrektursystem zu liefern. Natürlich war die entsprechende Qualität der Teile unser primäres Ziel, aber eine hohe Standzeit der Werkzeuge war uns ebenfalls wichtig.», ergänzt der Maschinenbediener Joel Bousquet.
Die Einführung des Wälzschälverfahrens bei Collins verlief reibungslos: «Die ersten Tests waren sofort erfolgreich. Wir konnten die in Tübingen für das Verfahren ermittelten Schnittdaten praktisch unverändert übernehmen», erklärt Emmanuel Gervais. Die Bearbeitungszeit am Verzahnungsteil allein konnte um mehr als die Hälfte der ursprünglichen Zeit reduziert werden. Der Wälzschälprozess zur Herstellung der Verzahnung ist in 14 Schrupp-, zwei Vorschlicht- und zwei weitere Schlichtgänge mit einem Schleifaufmass von 0,1 mm unterteilt. Die Härteverzug für die nachfolgende Wärmebehandlung ist nicht im Schneidenprofil des Werkzeugs vorgehalten. Nach dem Härten muss das Bauteil dann noch geschliffen werden. «Heute stellen wir mit demselben Werkzeug fünf verschiedene Bauteile mit dem gleichen Modul her. Insgesamt haben wir bereits mehr als 300 Teile produziert. Das Ende der Standzeit des Werkzeugs ist noch nicht in Sicht», sagt Pascal Moulènes.

Produktives Werkzeugsystem
Das Horn-Werkzeugprogramm umfasst Wälzschälwerkzeuge zum produktiven Herstellen von Innenverzahnungen, Steckverzahnungen und anderen Innenprofilen sowie von Aussenverzahnungen mit Störkanten. Die wichtigsten Vorteile des Wälzschälens bei diesen Anwendungen sind die deutlich kürzeren Prozesszeiten im Vergleich zum Verzahnungs­stossen, der Einsatz auf optimierten Dreh-Fräszentren, das Drehen und Verzahnen in einer Aufspannung und der Verzicht auf Freistiche am Verzahnungsende. Die Wälzschälwerkzeuge sind zum Verzahnen mittlerer bis grosser Lose konzipiert. Dabei wird jedes Werkzeug individuell dem Einsatz und dem zu bearbeitenden Werkstoff angepasst, wobei sich die unterschiedlichen Werkzeugschnittstellen an der Zähnezahl und Modulgrösse orientieren.
Das Verzahnungsportfolio von Horn umfasst ein breites Werkzeugprogramm zur Herstellung von unterschiedlichen Verzahnungsgeometrien mit Modul 0,25 bis Modul 30. Ob Verzahnungen an Stirnrädern, Welle-Nabe-Verbindungen, Schneckenwellen, Kegelrädern, Ritzeln oder an kundenspezifischen Profilen, alle diese Zahnprofile lassen sich mit den Werkzeuglösungen von Horn wirtschaftlich herstellen. Die Wälzschältechnologie wird erst eingesetzt, seit Bearbeitungszentren mit Systemen zur Steu­erung und Synchronisierung der Spindeldrehzahl und mit Software zur Prozessoptimierung den Einsatz dieser komplexen Technologie ermöglichen.

Ein globales Unternehmen
Mit mehr als 70’000 Mitarbeitern an 300 Standorten weltweit ist Collins Aerospace einer der grössten Zulieferer für die Luft- und Raumfahrtindustrie. Zu seinen Kunden gehören alle grossen internationalen Konzerne der Branche. Das Collins Werk in Figeac ist einer der weltweit führenden Hersteller von Propellersystemen für zivile und militärische Flugzeuge, Cockpit- und Kabinenausrüstung sowie von Stellantrieben für Höhenleitwerke. Auch die Herstellung der Propeller für den Airbus A400M erfolgt im Werk in Südfrankreich.
Collins Aerospace und Horn sind seit 30 Jahren Partner. «Wir haben mit den Systemen Mini und Supermini für die Bearbeitung von Inconel begonnen», erinnert sich Pascal Janot, der für die Werkzeugbeschaffung verantwortlich ist. Heute setzen die Verantwortlichen bei Collins neben den Systemen Mini und Supermini auch Horn-Lösungen für das Fräsen ein. «Unser Unternehmen verwendet Horn für einen Grossteil der Teile, an denen wir Nuten herstellen müssen. Horn bietet nicht nur sehr gute Werkzeuge. Dank seiner hohen Service- und Dienstleistungsqualität ist das ­Unternehmen einer unserer bevorzugten Partner», sagt Pascal Moulènes.

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14. bis 16. Mai
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